Die meisten Hundesportler kennen sie, viele wissen es aber nicht: die tonische Nackenreaktion.
Dabei handelt es sich um einen einfachen Reflex, der bei Beugung, Streckung oder Seitneigung der Halswirbelsäule ausgelöst wird. Im Hundesport ist die tonische Nackenreaktion häufig bei der Fußarbeit zu sehen und wird auch als „spanischer Schritt“ bezeichnet.

Was passiert bei der tonischen Nackenreaktion?
Die tonische Nackenreaktion ist ein Reflex, welcher, ausgelöst durch eine Bewegung der Halswirbelsäule, das unwillkürliche Beugen oder Strecken der Vorder- und Hintergliedmaßen zur Folge hat.
So neigt ein Hund vor einem Sprung auf ein nahes Hindernis seinen Kopf nach hinten (Streckung der Halswirbelsäule), was eine reflexartige Streckung der Vordergliedmaßen und Beugung der Hintergliedmaßen zur Folge hat.
Beim Kriechen durch einen Tunnel sehen wir genau das Gegenteil: das nach unten Beugen der Halswirbelsäule (Flexion) hat eine Streckung der Hintergliedmaßen und eine Beugung der Vordergliedmaßen zur Folge.
Auch beim Zur-Seite-Drehen des Kopfes kann die tonische Nackenreaktion ausgelöst werden und verursacht dann eine Streckung der Vordergliedmaße auf der gleichen Seite und eine Beugung der anderen Vordergliedmaße.
Die tonischen Nackenreaktion wird durch Rezeptoren im kranialen Halsbereich ausgelöst, ist bei Tieren normalerweise nicht sehr stark ausgeprägt und kann durch kortikale Kontrolle gehemmt werden. Beim Menschen verschwindet dieser Reflex wenige Monate nach der Geburt.

Was bedeutet das für den Hund?
Alle Reflexe haben etwas gemeinsam: sie laufen unwillkürlich, schnell und immer gleich ab. Läuft der Hund also erstmal im Reflexmuster, wird eine willkürliche und koordinierte Bewegung unmöglich. Dies bedeutet, dass es ihm auch nicht möglich ist, seine Schritte zu korrigieren, um zum Beispiel auf sich verändernde Bodenverhältnisse zu reagieren. Zudem ist ein hohes Maß an Energie für diese Art der Bewegung erforderlich.
Körperliche Auswirkungen
Gleichzeitig kommt es durch dieses stereotype Bewegungsmuster zu Überlastungen in bestimmten Bereichen des Hundekörpers. Die vermehrte Streckung der Halswirbelsäule und die daraus resultierende starke Beugung der Hinterhand verschiebt den Schwerpunkt stark nach hinten und kann zu einer Überlastung der Weichteilstrukturen der Hinterhand und der Lendenwirbelsäule führen.
Kommt ein Zur-Seite-Drehen des Kopfes, um den Hundeführer anzuschauen, hinzu, breitet sich die vermehrte Belastung auch auf die Schulterregion und vor allem das rechte Vorderbein aus. Je nachdem ob der Hund in sich gerade bleibt oder versucht, diese Fehlbelastung zu kompensieren, können Rücken und linke Hinterhand ebenso betroffen sein.
Da der Hundekörper, ebenso wie unserer, von Muskeln und Faszien durchzogen ist, welche mehrere Bereiche übergreifen und miteinander in Verbindung stehen, können sich derartige Fehlspannungen natürlich auch auf weiter entfernte Strukturen ausbreiten.
Was fällt auf?
Deutlich werden solche Fehlspannungsmuster oft durch Kopfschiefhalten, schiefes Laufen oder Sitzen, Fellverwirbelungen und Berührungsempfindlichkeit im Rücken- und Lendenbereich.

Was tun?
Derartige Fehlspannungen und Blockaden kann leider kein Hund selbst wieder los werden. Seine einzige mögliche Strategie ist die Kompensation, was zu immer neuen Problemen führt. Eine kontinuierliche Begleitung durch einen Manual Therapeuten ist also fundamental für sportlich aktive Hunde.
Natürlich ist auch Ausgleichstraining wichtig, ebenso wie ein abwechslungsreiches und dosiertes Training, mit nicht zu vielen Wiederholungen der immer gleichen Bewegungsmuster.
Muskelaufbau und Ausgleichstraining, wie es zurzeit zum Beispiel mit Dogfitness-Übungen viel praktiziert wird, macht allerdings nur dann Sinn, wenn bestehende Blockaden und Fehlspannungen zuerst behoben und der Hund auch regelmäßig kontrolliert wird. Ansonsten schleifen sich auch hier Kompensationsmechanismen lediglich immer weiter ein.
Quellen:
Mehrmann, Silke; Gräff, Christiane 2017: Sportphysiotherapie für Hunde. Sporthunde erfolgreich betreuen und therapieren. Sonntag Verlag
Lorenz, D. Michael; Coates, Joan R.; Kent, Marc 2011: Handbook of Veterinary Neurology. Elsevier Saunders